Steuern und Demokratie, spirituelle Sinnsuche, Mark Fischer und Studieren in Zeiten des Internets
Diese Woche in der Grübelkiste: Gabriel Zucman über Steuerungerechtigkeit, alternative Sinnsuche in der Pandemie, ein Rückblick auf das Werk von Mark Fisher und 100 Wörter (oder so) über Studieren in Zeiten des Internets.
Steuern, Ungleichheit und Demokratie - Gabriel Zucman im Gespräch | Essay und Diskurs/Deutschlandfunk
Um was geht es?
Die Art und Weise wie Einkommen und Vermögen besteuert werden, hängt zentral mit der Frage nach Ungleichheit und der demokratischen Verfasstheit eines Landes zusammen. Über die neoliberale Wirtschafts- und Steuerpolitik im Zuge der Globalisierung, und wie durch gerechtere Besteuerungen wieder mehr Gleichheit hergestellt werden könnte, spricht der Ökonom Gabriel Zucman im Interview mit Essay und Diskurs.
Was hängen blieb:
Besonders interessant fand ich hierbei die historische Dimension, die noch mal vor Augen führt, wie radikal beispielsweise die Steuersätze zur Zeit von Roosevelt in den USA waren, und wie weit weg wir heutzutage davon sind, in einem ähnlichen Maße für Steuergerechtigkeit zu sorgen. Eine Debatte, die umso stärker in den Mainstream gehört, nachdem die Ampel-Regierung, abseits von geplanten Superabschreibungen, keinerlei Steuerpläne im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat, um der wachsenden Schere zwischen Vermögenden und Vermögenslosen entgegenzuwirken.
Zauber, Hexen, Heilsversprechen - Deutschland auf Sinnsuche | ZDFinfo
Um was geht es?
Im Zuge rückläufiger Kirchenbeitritte treten eklizistische Formen der Spiritualität immer häufiger in Erscheinung. Dieser kurze Beitrag gibt einen Überblick in einige der abstruseren Erscheinungsformen dieser neuen Bewegungen und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Was hängen blieb:
Weiter weg könnte ein Thema von meinem persönlichen Interessen wohl nicht sein, dennoch habe ich diesen Beitrag mit aufgenommen, und zwar aus mehreren Gründen: Zum einen, da im letzten Drittel des Videos mit Blick auf die Corona-Proteste ein wichtiger Bogen zwischen alternativer Spiritualität, Wissenschaftsfeindlichkeit und Verschwörungsanfälligkeit gespannt wird, der die Gefahr des politischen Missbrauchs von diesen „Sinnsuchenden“ in Krisenzeiten aufzeigt; zum zweiten, da ich bereits vor einiger Zeit erstaunt von Berichten war, in denen die Nähe der heutigen Jugend zur Astrologie als ähnliche Form alternativer Sinnsuche beschrieben wurde; und zum dritten, weil dieser ganze Themenkomplex der „post-religiösen“ Entwicklungen in meinen Augen in den nächsten Jahren an Relevanz eher noch zunehmen wird. Wie lässt sich ein Bewusstsein für die Verlässlichkeit von Wissenschaft in der Gesellschaft verankern und mit dem zwangsläufigen metaphysischen Gehalt der Unbestimmtheiten des Lebens vereinen, ohne dabei entweder szientistischen Technokratismus oder schwurbelnde Wissenschaftsverleumdung zu fördern? Wer diese Frage beantworten kann, hat in meinen Augen einen Nobelpreis verdient.
Our Debt to Mark Fisher | Tribune
Um was geht es?
Ein Beitrag zum fünften Todestag von Mark Fisher, der sowohl analytische als auch biografische Einblicke in das Werk des populären linken Kulturwissenschaftlers gibt.
Was hängen blieb:
“Mark’s foregrounding of pop culture didn’t participate in the ironic postmodern reversals so prevalent at the end of the last century. Mark believed in mass culture’s power with every facet of his intellectual being, and this is one of many things that set him apart from his philosophical predecessors and coevals, Žižek and Jameson especially.”
Ich habe noch nie etwas von Mark Fisher gelesen, aber diese Aussage macht mich jetzt doch sehr neugierig. Die Verbindung von Kapitalismusanalysen und Mental Health-Themen, die im Text erwähnt wird, klingt ebenfalls nach einem interessanten Konzept. Nachdem ich den Text gelesen habe, scheint es mir so, als sei ein Verständnis von Fisher und seinem Hauptwerk Capitalist Realism zentral, um gerade die digital verankerte junge neue Linke besser einordnen zu können.
100 Worte (oder so) über: Studieren in Zeiten des Internets
Das Internet ist schon immer noch eine ziemlich fantastische Erfindung. Ja, soziale Plattformen haben ein krasses Regulierungsproblem, und digitale Quasi-Monopole wie Amazon und Facebook bewegen sich immer weiter in Richtung des Punkts, an dem eigentlich zerschlagen oder verstaatlicht werden müssten. Gleichzeitig ist das Potential der verfügbaren Information immer noch beeindruckend und ein unheimlicher Segen für die eigenen Recherchen. Das fällt mir auch immer wieder mit Blick aufs Studium auf; wie zur Hölle haben Menschen ohne das Internet studiert?! Ein alberner Gedanke, da ja Unis schon so viel länger existieren als das Internet, aber einer, der mich regelmäßig nicht loslässt. Seien es die in den Untiefen des Netzes verborgenen nischigen Papers, oder einfach nur die zahlreichen und augenblicklich zugänglichen didaktischen Hilfestellungen zu beinahe jedweden Themen, ganz gleich ihrer akademischen Komplexität – die digitalen Stützen und Recherchemöglichkeiten sind ein unheimlicher Segen. Studieren mit Hilfe des Internets hat sich in so kurzer Zeit zur Selbstverständlichkeit entwickelt, dass es schwerfällt, sich den Prozess des Selbststudiums in einer weniger datenschweren Umgebung vorzustellen. Vielleicht war es in der digitalen Vorzeit aber auch gerade umgekehrt, also durch die geringere Informationslast einfacher, sich aufs Wesentliche dessen zu konzentrieren, was unmittelbar vor einem lag. Vielleicht liegt die Wahrheit aber auch, wie nicht selten, irgendwo dazwischen.