NFT-Kritik in Überlänge, Memes und kollektive Identitäten, Goldstandard und die Activision-Blizzard Akquisition
Diese Woche in der Grübelkiste: Eine Zweieinhalbstundenkritik von NFTs und Blockchain-Libertären vom Kanal Folding Ideas, Memes, Anonymität und kollektive Identitäten auf 4chan, wirtschaftshistorische Betrachtungen zum Goldstandard und 100 Wörter (oder so) zu Microsofts Akquisition von Activision-Blizzard.
The Problem With NFTs | Folding Ideas
Um was geht es?
Ein fast zweieinhalbstündiges Video vom Kanal Folding Ideas, das in epischer Länge nicht nur das Problem von NFTs behandelt, sondern insgesamt die Krypto-Ökonomie und ihre Heilsversprechen von Autonomie und dezentraler Teilhabe kritisch reflektiert.
Was hängen blieb:
Die Detailtiefe dieses Videos ist an manchen Stellen unheimlich erschlagend und es hilft auch nicht, dass thematisch viel gesprungen wird und die roten Fäden des Skripts in den Erklärbär-Segmenten gelegentlich verloren gehen. Dennoch halte ich das Video für sehr sehenswert, da es sich die komplizierte Aufgabe macht, die technischen und ökonomischen Praktiken ausgiebig zu beleuchten und mit gesellschaftsanalytischen Schlüssen zu versehen, die, zumindest mir, viele neue Denkanstöße geboten haben. Vor allem die Abschnitte, die sich auf den Ausspruch „Code is law“ von Lawrence Lessig beziehen, die Probleme der Festschreibung und Veränderung von, sowie Verständigung über Aussagen auf der Blockchain behandeln, haben mich nachdenklich gemacht.
Von Memes und Menschen – In den Tiefen von 4chan | 54 Books
Um was geht es?
Über die Entstehung von Memes wurden bereits einige interessante Texte geschrieben, darunter das empfehlenswerte Buch Kill All Normies von Angela Nagle. Dieser Text von Titus Blome nähert sich dem Phänomen allerdings auf zweierlei Weise; zum einen versucht er, die Entstehungsprozesse von Memes zu systematisieren, zum anderen wagt er den interessanten Versuch, die Genese von Memes auf einer Plattform wie 4chan mit einer spezifischen kollektiven Identität zu erklären.
Was hängen blieb:
Die bereits oben erwähnte Verknüpfung von Meme-Entstehung und kollektiver Identität in einem Raum wie 4chan, der Identität und Historisierung eigentlich nicht erlaubt, hat mir am Text am meisten gefallen. Aus dieser Perspektive heraus lässt sich sehr gut darüber nachdenken, wie Eingriffe in diese kollektive Identität, die befürchtete Unterwanderung durch „Normies“, eine Gefahr für das Selbstbild der 4chan-Anhänger darstellt, die ihre radikalen kommunikativen Prozesse von Exklusion und Inklusion über das zirkulierende Wissen zur eigenen Meme-Kultur steuern.
The Gold Standard | In Our Time/BBC
Um was geht es?
Der Goldstandard entsprang dem späten 19. Jahrhundert und hatte die Aufgabe, herkömmliche nationale Währungen an einen vermeintlich „realeren“ Wert zu binden und für fixe Wechselkurse zu sorgen. Bis zum Ende des Bretton-Woods System der USA in den 1970er Jahren gab es immer wieder solche Währungsregime mit internationaler Bedeutung, die auf irgendeine Art auf eine Golddeckung zurückging. In dieser Episode von In Our Time wird die historische Relevanz und Verklärung des Goldstandards kritisch reflektiert.
Was hängen blieb:
Grundsätzlich finde ich solche makroökonomischen Themen extrem spannend, auch wenn ich mir oft nicht sicher bin, ob ich zum einen alles richtig verstehe und zum anderen, inwiefern spezifische ideologische Hintergründe womöglich die dargestellten ökonomischen Fakten verzerren. Dennoch fand ich diese Folge durchaus interessant, da heutige Befürworter des Goldstandards im Endeffekt nicht weit von Kryptoanhängern entfernt sind. Gold soll eine Währungsstabilität erzeugen, die unabhängig von einem Gesellschaftsvertrag, unabhängig vom Vertrauen in organisierte Politik und heutige Zentralbanken funktioniert, da Politik und Zentralbanken damit an eine Externalität gekoppelt werden, die sich nicht beliebig beeinflussen können. „Der Staat überstrapaziert seine fiskalischen Mittel“ und „Zentralbanken kurbeln rücksichtslos den Anstieg der Geldmasse an“ sind zwei der Vorwürfe, die man auch heute noch hört, und die auch zur Zeit des Goldstandards für finanzpolitische Disziplinierung und Selbsteinschränkung sorgen sollte. Man kann froh sein, dass wir heute keinen Goldstandard mehr haben. Die dringend benötigten Investitionen in die Zukunft, die uns bevorstehen, sind abhängig von unserem Vorschussvertrauen in die Umsetzungsfähigkeit unserer politisch vereinbarten wirtschaftlichen Ziele, und nicht vom unwillkürlichen Diktat des verfügbaren Goldangebots. Und das ist auch gut so.
100 Wörter (oder so) über: Die Activision-Blizzard Akquisition
Microsoft ist nun also nach der (voraussichtlichen) Übernahme von Activision-Blizzard um ca. 70 Milliarden US-Dollar ärmer, die Spielebranche dafür um einige Fragezeichen zur Zukunft ihres Mediums reicher. Der Game Pass, das in Videospielform gegossene Angebot, das man nicht ablehnen kann, rüstet weiter auf und steht nun womöglich bald an dem Punkt, an dem Netflix stand, als der Boom der Film- und Serien-Abos so richtig losging. Wenn die Tendenz zur Monopolbildung im Plattformkapitalismus, die wir in anderen digitalen Märkten bereits sehen konnten, auch weiter die Videospielbranche ergreifen sollte, könnte die US-Kartellbehörde – die erst kürzlich ankündigte, ihre Fusionsgenehmigungsverfahren zu überarbeiten –auch eines Tages Microsoft ins Visier nehmen. Vielleicht sehen wir auch schon jetzt eine Reaktion auf den Deal mit Activision-Blizzard, der erst im kommenden Jahr abgeschlossen sein wird. Es wäre wünschenswert, denn wer nicht in Betracht zieht, dass diese Form der Akkumulation auf lange Sicht darauf abzielt, in möglichst unregulierten digitalen Märkten in der Funktion des Plattformschleusers Zugänge zu exklusive Inhalten zu kontrollieren, ist höchstwahrscheinlich naiv.