Kindheit und Erziehung der Gen Alpha, hinter den Kulissen von Project 2025 und die Rolle nachhaltiger Banken für die sozial-ökologische Transformation
Diese Woche in der Grübelkiste: Ein Video über die Generation Alpha und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ihrer Kindheit und Erziehung; ein Artikel über den Kopf hinter Project 2025; und ein Audio-Feature über das 50-jährige Bestehen der GLS-Bank und Nachhaltigkeit im Bankengeschäft. Viel Spaß beim Lesen und Mitgrübeln!
Are we creating a generation of self-absorbed bullies? | Ashley Embers
Um was geht es?
Die Bestimmung und die Gegenüberstellung von Generationen sorgen seit Menschengedenken für erhitzte Gemüter im gesellschaftlichen und politischen Diskurs. Beispiele wie etwa der Vorwurf an die Boomer, den Klimawandel verpennt zu haben, oder die kürzlichen europäischen Wahlerfolge der AFD unter jungen Erwachsenen beweisen dabei, dass generationale Kritik in beide Richtungen funktioniert. Zuletzt war es die angeblich arbeitsscheue Gen Z, die vielfach den Groll von Arbeitgebern der Generationen X und Y auf sich gezogen hat. Doch mit der zunehmenden Etablierung des Begriffs ‘Gen Alpha’ zur Bezeichnung der zwischen 2010 und 2024 Geborenen hat sich das Scheinwerferlicht abermals verschoben. YouTuberin Ashley Embers wirft einen Blick auf diese jüngsten Kohorten und stellt sich die Frage, inwiefern Social-Media und Influencer-Gehabe den Medienkonsum und das Sozialverhalten dieser Kinder beeinflusst.
Was hängen blieb:
Vorweg: Das verallgemeinernde Sprechen über ‘Generationenprobleme’ ist zurecht ein Minenfeld, da hier Pauschalurteile über Menschengruppen gefällt werden, die abseits der Altersdimension mitunter mehr teilt als eint (etwa in Bezug auf sozioökonomische Unterschiede). Gleichzeitig scheint es mir dennoch sinnvoll, gesellschaftliche Trends und spezifische Eigenheiten einzelner Zeitabschnitte zu identifizieren und sich über mögliche Einflüsse für die prägenden Phasen der Kindheit und frühen Jugend Gedanken zu machen. Das Video von Ashley Embers ist für mich in diesem Sinne kein abschließendes Urteil, sondern vielmehr ein Dokument seiner Zeit, das Thesen für weitere Debatten sowie kritische und empirische Auseinandersetzungen bietet.
Eine wiederkehrende These bei Embers lautet, dass die techno-sozialen Rahmenbedingungen der Gen Alpha-Kindheit nicht nur zu einer höheren Bildschirmzeit, zu selbst-isolierenden Tendenzen und zu Problemen bei der Herausbildung von Empathie führen, sondern – infolgedessen – auch zu einer Zunahme an narzisstischen Verhaltensweisen. Hierfür sei gerade die vergleichsweise starke Orientierung an Influencer-Vorbilder ausschlaggebend, sowie die Hyperfokussierung auf die öffentliche Bewertung des eigenen Ichs bei all jenen, die bereits im jungen Alter aktiver Teil der Content-Maschinerie werden. Ein zweiter großer Themenkomplex besteht bei Embers aus der Beobachtung, dass der autoritätskritische Erziehungsstil des gentle parenting drohe, in permissive parenting abzugleiten, womit die Kapitulation vor jeglichen geäußerten Wünschen und Vorgaben des Kindes gemeint ist, mit dem Ziel, Konflikte und bestimmendes Verhalten zu vermeiden.
Während die empirische Quellenlage in Embers Video etwas dürftig ausfällt, bilden die gesammelten anekdotischen Eindrücke in Videoform von Eltern und Pädagog:innen ein interessantes Panorama von persönlichen Erfahrungen mit der Gen Alpha. Im Idealfall – und wenn die Debatte zur jüngsten Generation mehr sein will, als die ‘Individualpsychologisierung’ von systemischen Ursachen – lässt sich auf Basis des Wissens zur Gen Alpha unser Verhältnis zu den Problemen von Social-Media radikal hinterfragen und mit einem politischen Impetus für sozialverträglichere Formen des digitalen Austauschs verbinden.
The Man Behind Project 2025’s Most Radical Plans | ProPublica
Um was geht es?
Auch wenn es progressiv und liberal eingestellte Menschen anders sehen mögen: Für das Team Trump war die 45. Präsidentschaft in der Geschichte der USA ein Fiasko. Verantwortlich gemacht wurden Beamte und Behördenmitarbeiter:innen, die ihr Bestes gaben, die schlimmsten Auswirkungen von Trumps‘ Regierungshandeln im Rahmen ihrer Möglichkeiten einzudämmen und aufzuhalten. Project 2025, ein von der konservativen Heritage Foundation entworfener Plan für die nächste republikanische Präsidentschaft, soll diesen Fehler nun korrigieren. Auch wenn über die schriftlichen Erzeugnisse des Projektes bereits einiges berichtet wurde, so wenig bekannt ist den meisten sicherlich Paul Dans, der Kopf hinter der Aktion. Die Investigativplattform ProPublica hat sich die Vita des unscheinbaren Mannes genauer angesehen und die Ambitionen des Projektes kritisch eingeordnet.
Was hängen blieb:
Nach Lektüre dieses Textes wirkt Paul Dans auf mich wie ein mäßig erfolgreicher Karrierist, der mit mehr Glück als Verstand in Schaltzentren der Macht gelangte, und der mit seiner radikalen Auftrittsweise während Trumps Amtszeit regelmäßig Leute aus den eigenen Reihen abschreckte. Der radikale Plan, erst massenhaft Regierungsmitarbeiter:innen zu entlassen und diese dann durch eine über mehrere Jahre aufgebaute ‘Armee’ aus ideologisch treuen Trump-Loyalisten zu ersetzen, mag zwar daran scheitern, genügend Menschen zu finden, die nicht nur wütend sondern auch kompetent genug für einen solchen Job sind, sollte aber trotz allem auf keinen Fall unterschätzt werden. Über die Rolle des Beamtenapparats im Kampf gegen eine faschistische Politik schrieb zuletzt Arne Semsrott in seinem Buch Machtübernahme: Was passiert, wenn Rechtsextremisten regieren. Während hierzulande von der Remonstrationspflicht bis zum Bummelstreik ein begrenzter Handlungsrahmen für Protest existiert (begrenzt, weil etwa der politische Streik und das Streikrecht für Beamte verboten sind), lässt sich mit Blick auf die USA diskutieren, wie politische Machtkämpfe um Institutionen zu bewerten sind, die nicht direkt Teil des demokratischen Prozesses sind (etwa der Oberste Gerichtshof oder eben politische Behörden, wie beispielsweise die Environmental Protection Agency).
Der Plan der Heritage Foundation dient damit nicht nur als Steigbügelhalter für das zunehmend antidemokratische und faschistische Politikangebot Trumps, sondern verweist viel mehr auf bestehende Unklarheiten im US-amerikanischen System: Sollte der Ausdehnung der politischen Einflussnahme auf die erweiterten Institutionen des Landes ein prinzipieller Riegel vorgeschoben werden, oder sollte man sie als fast schon radikaldemokratisches Prinzip akzeptieren und lediglich nach egalitären Prinzipien umformen? Die Frage, was für eine Art Demokratie die Vereinigten Staaten sein wollen, wird uns die nächsten Jahre wohl (leider?) noch begleiten.
Geldinstitute - Gute Bank, schlechte Bank - zwei Geldgeschichten von 1974 | Zeitfragen. Feature / Deutschlandfunk
Um was geht es?
Nur wenige Monate voneinander entfernt, finden in der deutschen Finanzwelt im Jahre 1974 zwei Ereignisse statt, die sich retrospektiv überraschend gut kontrastieren lassen: Das eine ist die Schließung der privaten Kölner Herstatt-Bank; das andere die Gründung der gemeinnützig orientierten GLS. Die Parallelisierung dieser zwei unterschiedlichen Institute erzählt vom Wandel der Finanzmarktregulierungen, vom Einfluss politischer Krisen und von der Herausbildung einer globalen Zielsetzung von Nachhaltigkeit. Ein sehr spannendes Feature von Deutschlandfunk Kultur, das zugleich der Frage nachgeht, ob das Konzept der ‘guten Bank’ funktionieren kann.
Was hängen blieb:
Während die Herstatt-Bank mit der Spekulation von Währungskursen ihr eigenes Ende provozierte, erfreut sich die GLS bis heute steigender Kundenzahlen. Auch wenn die anthroposophischen Wurzeln der Gründergeneration durchaus skeptisch gesehen werden müssen, zeigt die Arbeit der Bank, gerade auch in dieser historischen Perspektive, welche Potentiale in einer Geldschöpfung für sozial-ökologische Transformationsprozesse abseits von reiner Spekulation und Gewinnerhöhungsmaximen liegen. Der Beitrag hebt dabei hervor, wie nachhaltig und transparent agierende Banken wie die GLS innerhalb aktueller Bankenregelungen benachteiligt werden und stellt die Frage, ob sich die Energiewende auch abseits von großen Investoren mittels dezentraler Finanzierungsinitiativen durch lokale Stakeholder organisieren lässt. Projekte wie die von der GLS unterstützte Stiftung Verantwortungseigentum gehen dabei noch einen Schritt weiter und fordern die vollständige Verschiebung der Entscheidungsmacht von Investoren hin zu Arbeitnehmer:innen innerhalb von Unternehmen.
Eine Kiste bunt Gemischtes: