Horrende Energiepreise, Stuart Hall, der digitale Euro und beschleunigter Medienkonsum
Diese Woche in der Grübelkiste: Ein Beitrag über die massiven Preisanstiege im Bereich Energie und Gas und die fehlenden staatlichen Interventionen, ein ausführlicher Theoriepodcast zum Kulturwissenschaftler Stuart Hall, ein skeptischer Ausblick auf die Pläne der EZB für einen digitalen Euro und 100 Wörter (oder so) darüber, wieso ich 2022 anfing, manche Medieninhalte in 1,5-facher Geschwindigkeit zu konsumieren.
Teure Energie - und kaum Hilfe der Regierung | MONITOR
Um was geht es?
Ein Beitrag von Monitor über die steigenden Energiepreise, die nach wie vor die Inflation in die Höhe treiben. Leidtragende sind vor allem ärmere Gas- und Stromempfänger, deren Verträge nun massenhaft zwangsgekündigt wurden, und die nun in vielfach teureren Grundversorgungsverträgen feststecken.
Was hängen blieb:
Es ist bezeichnend, wie wenig in Deutschland aktuell unternommen wird, um gerade Menschen mit niedrigen Einkommen bei der Strom- und Gasrechnung zu entlasten. Dass zudem der Präsident des Kartellamts bereits mitteilte, dass es sich hier um „missbräuchlich überhöhte Mondpreise“ handele, die sich mit der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt allein nicht erklären ließe, ist ein Aspekt, der mir in dieser ganzen Debatte ebenfalls zu kurz kommt. Besonders mit Blick auf die Lage zwischen der Ukraine und Russland kann man nur hoffen, dass die Bundesregierung den Bedarf zur Preisentlastung endlich anerkennt.
Stuart Hall | tl;dr
Um was geht es?
Für die anglophone Kulturwissenschaft ist Stuart Hall eine der zentralen Bezugspersonen, seine Analysen zu den Repräsentationssystemen von Ideologien ein wertvoller Beitrag für eine medienwissenschaftliche und antirassistische Kritik unserer Alltagskultur. Der Podcast tl;dr der Rosa-Luxemburg-Stiftung gibt einen biographischen und theoretischen Überblick.
Was hängen blieb:
Ich habe zwar studienbedingt ein, zwei kürzere Texte von Stuart Hall gelesen, mich aber bisher nicht wirklich mit ihm und seiner theoretischen Positionierung beschäftigt. Interessant fand ich daher die Erkenntnis, dass Halls Ansatz der „Cultural Studies“ einen guten Spagat zwischen “Basis und Überbau” zu bieten scheinen, da er die Dominanz von Ideologien durch ein Geflecht aus sozialen Praktiken begründet, die linguistisch kodifiziert und dekodifiziert werden, aber dennoch von materiellen Herrschaftsverhältnisse genährt werden und die gleichsam kreislaufartig auf diese einwirken. Sehr aktuell schien mir auch – vor allem für den deutschsprachigen Raum – die bereits von Hall angestoßene Diskussion um den Begriff „race“ und die Frage, inwiefern der Begriff trotz seiner biologistischen Konnotationen wichtig für eine antirassistische Kritik der Gegenwart ist.
Floppt der digitale Euro der EZB? | Finanzwende
Um was geht es?
Ökonom Peter Bofinger wirft für die Plattform Finanzwende einen Blick auf die (scheinbar noch unausgereiften) Pläne der EZB für einen digitalen Euro, also die Idee, Privatkunden mit einem krisensicheren Konto direkt bei der Zentralbank für den digitalen Zahlungsverkehr auszustatten.
Was hängen blieb:
Die EZB plant nun also, private Zahlungsplattformen wie Mastercard und Visa oder PayPal aufmischen, bis wir etwas vom digitalen Euro sehen werden, wird es aber noch einige Jahre dauern. Der Beitrag gibt einen guten Überblick zu den Zielsetzungen der EZB und den Problemen, die in der Umsetzung drohen könnten.
100 Wörter (oder so) über: 1,5-facher Medienkonsum
2022 ist das Jahr, in dem ich angefangen habe, einzelne Podcasts und Videos in 1,5-facher Geschwindigkeit zu konsumieren, und ich schäme mich ein wenig dafür. Ein paar phänomenologische Eindrücke: Es ist zum einen erstaunlich, wie schnell sich die eigene Wahrnehmung an die veränderte Geschwindigkeit gewöhnt, aber fast noch faszinierender ist es, nach dem Zurückschalten zur Normalgeschwindigkeit festzustellen, wie langsam einem auf einmal alles vorkommt. Das Hirn ist schon ein seltsamer Apparat. Zu klären bleibt noch die Frage nach dem Warum: Ich habe noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden. War es der Wunsch, schnell an grundlegende Informationen zu kommen, ohne sich langwierigen “Lückenfüllern” hingeben zu müssen? Oder handelt es sich um die finale Kapitulation gegenüber der Informationsinflation des Internets und eine mangelhafte Prioritätsabwägung und Wertschätzung meiner eigenen Zeit? Ist die erhöhte Geschwindigkeit ein legitimes Tool der Informationsfilterung im Digitalen oder ein weiteres Symptom von Entfremdung, hervorgerufen durch technosoziale Beschleunigungsprozesse? Die Vorstellung, ganze Filme oder Serien in beschleunigter Geschwindigkeit zu schauen, klingt für mich allerdings immer noch hochgradig absurd. Ich hoffe, dies bleibt auch in Zukunft so.