Drachen in der Kulturgeschichte, das Erhabene bei Caspar David Friedrich, politische Interventionen gegen Kryptowährungen und Gedanken zum Thema Zeitgefühl
Diese Woche in der Grübelkiste: Kulturhistorische Analysen von Drachen, Aufrufe zum Stopp klimaschädlicher Blockchain-Technik, das Erhabene in der Kunst von Casper David Friedrich und 100 Wörter (oder so) über Zeitgefühl.
The Painter Who Revolutionized Landscapes | Nerdwriter1
Um was geht es?
Die melancholischen Landschaften des frühromantischen Künstlers Caspar David Friedrich stehen in vielerlei Hinsicht nicht nur sinnbildlich für die triste winterliche Jahreszeit, sondern auch für die erschlagende Allmacht der Natur, die in Zeiten von Pandemie und Klimawandel eine neue Form der Ehrfurcht von uns abverlangt.
Was hängen blieb:
Da ich diesen Newsletter auch dafür nutze, um mich selbst mit neuen Themen zu beschäftigen und euch daran teilhaben zu lassen (quasi als prozesshafter, sich ständig selbst reflektierender Bildungsprozess in Newsletter-Form), war dieses Video für mich als Kunstunerfahrener ideal. Das Thema des Erhabenen (engl.: sublime) als ästhetische Erfahrung von Unendlichkeit und als Ersatzbegriff für das Göttliche in Folge der Aufklärung war für mich der spannendste Aspekt des Essays.
Dragons! (with Scott G. Bruce) | The History of Literature
Um was geht es?
Drachen sind nicht erst seit Game of Thrones eines der populärsten Fantasiegeschöpfe der Fiktion; schon in der Antike gab es Erzählungen über die meist schlangenartigen Monstergestalten, deren Bezwingung der Zurschaustellung von Heldentum galt. In diesem Podcast gibt der Autor des Buches The Penguin Book of Dragons Auskunft über die kulturhistorischen Ursprünge und Bedeutungswandlung von Drachen.
Was hängen blieb:
Interessant fand ich vor allem den Kulturvergleich zwischen westlichen und fernöstlichen Überlieferungen zum mythologischen Drachen. Während im Westen, vor allem im Zuge der Christianisierung, der Drache als entmenschlichte Verkörperung sozialer Ängste diente, traten in asiatischen Traditionen schon sehr früh vermenschlichte Drachen hervor, die sprechen konnten und mit Menschen zusammenarbeiteten. Ein weiterer spannender Einblick war für mich die Schlussfolgerung, dass in der antiken westlichen Tradition der Akt der Drachenbezwingung stellvertretend als imaginierte imperialistische Eroberung des Fremden gelesen werden kann, da die erzählerische Ausgestaltung der Drachen eng mit Geschichten über unbekannte Gebiete zusammenhing.
Besetzt die Blockchain! | Netzpolitik
Um was geht es?
Über die krassen Spekulationsgeschäfte und klimaschädlichen Auswirkungen von Kryptowährungen wurde in den letzten Jahren viel gesprochen, sodass das Thema nun immer stärker in das Blickfeld politischer Entscheidungsfindungen rückt. Dieser Kommentar von Netzpolitik fasst einige der bisherigen Zusammenstöße von nationalen Regierungen und Krypto zusammen und plädiert für einen Stopp von eindeutig Klima- und Infrastrukturschädigender Technologie.
Was hängen blieb:
Der Artikel schafft einen guten Überblick zur aktuellen globalen Lage und den bisherigen politischen Eindämmungsversuchen im Bereich Kryptowährungen. Besonders gut gefällt mir aber der titelgebende Slogan „Ende Kryptogelände“ sowie der Aufruf „Besetzt die Blockchain!“. Mir fehlt das technische Knowhow und die nötige Kreativität, um einzuschätzen, wie digitaler Klimaaktivismus gegen Bitcoin und Co. aussehen könnte (Stecker ziehen bei der Mining-Farm?), aber es wäre definitiv interessant, zu sehen, ob und wie Formen der Blockade und des zivilen Ungehorsams auch gegen die Kryptowährungen eingesetzt werden könnten.
100 Wörter (oder so) über: Zeitgefühl
What year is it? Zeitgefühl ist schon etwas Seltsames. 2022 ausgeschrieben zu sehen fühlt sich irgendwie surreal an. Im Zustand pandemischer Ungewissheiten treten alternative Zeitrechnungen ans Tageslicht. Zum Beispiel führt einem die Erkenntnis, wie viele Folgen vom persönlichen Lieblingspodcast bereits seit Pandemiebeginn veröffentlicht wurden, auf ganz neue Weise vor Augen, wie lange sich das Thema Virus bereits in unser tägliches Sprechen und Denken eingeschrieben hat. So wie politische Eindämmungsversuche ständig ein Update erfuhren, wurde auch unser eigener Zeithorizont kontinuierlich um weitere Vertröstungen auf die Zukunft erweitert. Vielleicht tröpfelt dieser lethargische Zustand noch ein Weilchen vor sich hin. Vielleicht erleben wir den Wandel hin zur postpandemischen Zeitrechnung aber auch als überraschend ruckartigen Bruch ohne Ankündigung, oder, ganz unspektakulär – nur in der Retrospektive. Wir werden sehen.